Jam GD und Fleetwood Mac; Konzert über frühe Fleetwood Mac 202

Rico, Donnerstag, 14. Oktober 2021, 14:43 (vor 918 Tagen) @ Rico

(Hier Teil II :)

Für mich der Gänsehaut-Höhepunkt des Abends war der Auftritt von Jeremy Spencer. Bei den frühen Fleetwood Mac war er neben Peter Green und Danny Kirwan an der Gitarre zu hören gewesen – seine Stärke war die Slide-Gitarre. Als Fleetwood Mac auf ihrer USA-Tournee im Dezember 1969 einen Tag lang die einmalige Gelegenheit hatten, im Chicagoer Chess-Studio mit einigen ihrer schwarzen Blues-Vorbilder (darunter Otis Spann und Willie Dixon) zu musizieren, verblüffte Spencer sie mit seiner intimen Kenntnis der Songs von Elmore James. Eine spannende CD dokumentiert jene Sessions.

Vom Cover und Booklet dieser CD hatte ich Jeremy Spencer als rabenschwarz langgelockten Jüngling vor Augen. Was später aus ihm geworden sein mochte, wusste ich nicht – Rocklexika hatten nur mitgeteilt, er sei, seit jener USA-Tour !, in religiöse Schwärmerei abgedriftet.

So war ich gespannt, als Mick Fleetwood, in sichtbarer Bewegung, ankündigte, mit dem nächsten Ehrengast habe er vor sage und schreibe fünfzig Jahren das letzte Mal gemeinsam auf einer Bühne gestanden – – „Please welcome ... Mr Jeremy Spencer !!“ Ein kleiner, zarter alter Mann, ein dünner weißer Haarkranz ums kahle Haupt, kam bescheiden-behutsamen Schritts aus dem Hintergrund nach vorn; die beiden umarmten einander; eine Gitarre ward dem Ankömmling gereicht; er trat vors Mikrofon; lächelte das gerührt-erwartungsvoll applaudierende Publikum einige Augenblicke lang an; legte dann den Finger auf die Lippen – und ließ in die absolute Stille hinein mit dem bottleneck auf den Saiten die ersten glasklaren, durchdringenden, sehrend-sehnenden Blues-Noten erklingen : „The Sky Is Crying“ von Elmore James.

Fünfzig Jahre fielen hinweg, als wär’s nur ein Tag gewesen ... Und hatte ich schon bei diesen kraftvoll-zeitlosen Gitarrentönen schier meinen Ohren nicht trauen wollen, so erst recht nicht, als er nach ein paar Minuten instrumentalen Schmelzes den Mund öffnete, um die erste Strophe zu singen : die vitale, metallische Stimme, saalfüllend und autoritativ, war ungebrochen wie damals. Gebannt lauschten die Besucher, verschiedenster Generationen !, diesem Künstler – er, der für viele jetzt, gleich jenem Rip Van Winkle der amerikanischen Legende, aus den Tiefen der Vergangenheit allererstmals aufgetaucht schien, war (wie ich jetzt nachlas) in all den Jahrzehnten doch durchaus musikalisch aktiv geblieben, freilich nie mehr ,im Rampenlicht‘ –; und als der Song geendet hatte, brach begeisterter Beifall aus, viele riss es von den Sitzen. Spencer brachte noch einen zweiten Elmore-James-Song zu Gehör –

– und danach strebte das perfekt arrangierte Tribute-Konzert seinem Finale zu : nach „The Green Manalishi“ (dem letzten Song, den Peter Green vor seinem langjährigen Dahindämmern geschrieben hatte) und dem unsterblichen „Albatross“ – von dem sich, wie Mick Fleetwood stolz erzählte, die Beatles für ihren Song „Sun King“ auf „Abbey Road“ hatten inspirieren lassen – strömten die Ehrengäste, die nach ihrem jeweiligen Auftritt hinter der Bühne gewartet hatten, nach vorne (außer den Individualisten Noel Gallagher und Jeremy Spencer), und der mitreißende Blues-Song „Shake Your Money Maker“ wurde zum jubelnd-ausgelassenen Gemeinschafts-Abgesang, mit feurigen Kurz-Solo-Einlagen („Come on, Jonny Lang !“), nicht zuletzt von John Mayall mit übermütigem Scat-Gesang.

Ein grandioses Konzert ging zu Ende. Mick Fleetwood dankte allen Mitwirkenden; rief noch einmal Einfluss und Bedeutung Peter Greens (der ja selber nicht anwesend war) herauf; und mit dem Shakespeare-Wort „If music be the food of love, play on“ entließ er die beglückten Zuhörer in die Nacht ...

Der Film gibt das Konzert in packenden Kamera-Einstellungen gut wieder; in kurzen Streiflichtern auch immer wieder die Atmosphäre dicht hinter der Bühne, wo die Mitwirkenden für ihr Erscheinen bereit stehen, oder danach in diesen Backstage-Bereich zurückkehren, erfüllt von ihrem Auftritt und beschulterklopft von den Kollegen – und anrührend ist es, zu sehen, wie sich die Bassisten David Bronze und Bill Wyman umarmen, oder wie Steve Tyler und John Mayall eifrig fachsimpelnd ihre Mundharmonikas vergleichen ...

Am 25. Februar 2020 hatte das Konzert stattgefunden. Genau fünf Monate später, am 25. Juli 2020, teilte seine Familie mit, dass Peter Green heute im Alter von 73 Jahren friedlich im Schlaf gestorben war."


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